Plakatgestaltung Prof. Anton Stankowski

Ereignisse

 

Begegnungen
mit Bildern
und Menschen

 

27. Juni - 29. August 1993
Kunstverein Gelsenkirchen e.V.
Städtisches Museum

Horster Straße 5-7
Gelsenkirchen-Buer

Di-So 11.00 - 18.00 Uhr

Zum Resümee der Ausstellung und den Künstler-Statements hier klicken


Wegbegleiter und gelegentlich auch Wegbereiter von Künstlern zu sein, ist nicht die schlechteste Rolle, die das berufliche Leben bereit halten kann, denn hier deckt sich Passion mit der Erwartung neuer ästhetischer Erfahrungen. Das gilt für eine Journalistin wie Anneliese Knorr, die das kulturelle Geschehen in Gelsenkirchen mit dem Schwerpunkt bildende Kunst seit 35 Jahren beobachtet und als Ausstellungsmacherin mitgestaltet. Und das trifft auch auf den Leiter des Städtischen Museums Dr. Reinhold Lange zu, der 1971 Griechenland mit dem Ruhrgebiet vertauschte und in der Leitung eines Museums seine eigentliche Lebensaufgabe fand.

Die Ausstellung "Ereignisse — Begegnungen mit Bildern und Menschen" beleuchtet die unterschiedlichen Ausgangspositionen beider "Kunstvermittler". Anneliese Knorr behielt sich neben der Unabhängigkeit der journalistischen Meinung die Freiheit der Ausstellungsgestaltung an verschiedenen Schauplätzen vor.

Reinhold Lange sah sich, aus der Situation des Autors kunsthistorischer Schriften und Bücher heraus, mit den praktischen Aufgaben einer Museumsleitung konfrontiert, die in der Einweihung des Museumsneubaus 1984 einen ihrer Höhepunkte fand.

Im Laufe der Zeit ergaben sich enge Kontakte zu Künstlerinnen und Künstlern, die seit Jahren Bestand haben und nicht selten in gute Freundschaften mündeten. Beiden Protagonisten ist mit der Ausstellung Gelegenheit gegeben, etwas von dieser Zuwendung sichtbar zu machen, die sich auf einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis aufbaut.

Dem Kunstverein liegt daran, in Übereinstimmung mit der Stadt Gelsenkirchen, auf die Gemeinsamkeiten hinzuweisen, die zwischen privater Initiative und kommunaler Kunstförderung möglich sind.

(Ulrich Daduna)

 

Anneliese Knorr, Dr. Reinhold Lange
und die ausgewählten Künstlerinnen und Künstler:

 

Anneliese Knorr zum 75. Geburtstag
Anneliese Knorr,
Journalistin und Kommunale
Galeristin im Ruhestand

 

Ulrich Erben
Friedrich Gräsel
Jiri Hilmar
Adolf Luther
Udo Scheel
Anton Stankowski
Norbert Thomas
Günther Uecker
Jochen Zellmann

 

 

Dr. Reinhold Lange zum Eintritt in den Ruhestand
Dr. Reinhold Lange,
Kunsthistoriker und
Museumsdirektor

 

Regina Albrecht
Helmut Bettenhausen
Uwe Gelesch
Rolf Glasmeier
Rüdiger Goeritz
Rainer Kleinschmidt
Wolfgang Liesen
Friedhelm Lork
Roswitha Petry-Hammann
Mario Reis
Ursula Simon
Günter Tollmann
Gérard Walther
Bernard P. Woschek


 

Hubert Berke
Leo Breuer
Utz Brocksieper
Siegfried Danguillier
Peter Faßbender
Yvonne Goulbier
Karl Heidelbach
Heinz-Albert Heindrichs
Hannah Höch
Horst Lerche
Nino Malfatti
Tom Mosley
Marianne Pohl
Many Szejstecki

 

Auszüge der Rede von Dr. Bernhard P. Woschek an Anneliese Knorr

"Gestatten Sie zunächst einen Ausflug ins Private. Ich kenne Anneliese Knorr seit 24 Jahren. Kennengelernt habe ich sie bei einer der täglichen öden Pendelfahrten des städtischen Busses von Buer Rathaus zum Hans-Sachs-Haus. Zwangsläufig - denn wir arbeiteten beide für die Verwaltung, und beide fühlten wir uns zur Kunst hingezogen. Eine Diskrepanz, der ich nach zwei Jahren entrinnen konnte.

Anneliese Knorr arbeitete damals zusammen mit ihrem Mann Ernst im Presseamt der Stadt. Sie Redakteurin, er Designer. Beide der Kunst verschrieben. Insofern gab es für mich genügend Anlass, mich dort, im Hans-Sachs-Haus, in den bescheidenen Büro- und Atelierräumen des Öfteren aufzuhalten, als 17-, 18-Jähriger. Ernst versicherte mir: "Du gehörst hier nicht hin." Ich erwähne ihn hier deshalb, weil Anneliese Knorr mir anvertraute, dass ihr Kunstinteresse erst durch ihn geweckt worden sei. Ernst, kunsthungrig, habe sie Anfang der 50-er Jahre pausenlos in Kunstausstellungen geschleppt, zu ihrem eigenen Vergnügen, wie sie versichert.

Annelieses Kunstbegriff rührt denn wahrscheinlich auch aus der Beziehung zu Ernst. Er als Designer - damals sagte man noch "Gebrauchsgraphiker" - hatte ein umfassendes Verständnis für die Gestaltung der Umwelt. Dann gab es noch den Kommilitonen von Ernst: Anton Stankowski, ein Freund des Hauses, ebenfalls der angewandten und der bildenden Kunst zugetan.

Sicherlich hat dies auf Anneliese Knorr abgefärbt - und entsprechend der Bauhaus-Idee hat sie sich bei vielen der von ihr arrangierten Ausstellungen bemüht, die Grenzen zwischen bildender Kunst und Kommunikationskunst/-Design aufzuheben. Kürzlich, zur Ausstellung "Design Kunst / Kunst Design" hat Anneliese Knorr noch festgestellt: "Trotz der Hinweise auf die Durchlässigkeit der Disziplinen sind die Vorbehalte nicht ausgeräumt. Das möchte der Kunstvewrein zum Anlass nehmen, mit seiner Ausstellung auf dieses Problem aufmerksam zu machen."

Zum Kunstverein gehören viele, aber 51 Prozent des Kunstvereins sind Anneliese Knorr. Ihres Konzeptes wegen - aber auch wegen ihres unermüdlichen, häufig mühevollen Einsatzes. Entsprechend bezeichneten die Ruhr-Nachrichten (1988) sie als "guter Geist des Kunstvereins". Ich aber hörte sie oft stöhnen: "Dat bleibt ja allet wieder an mir hängen."

Annelieses Mühen sind Annelieses Glück, so scheint es. Vor kurzer Zeit wurde ein Gruppenglück aus den 60-er Jahren noch einmal präsent. Die legendären Ausstellungen, die von ihr im Pianohaus Kohl arrangiert wurden. Anneliese Knorr hat diese Zeit miterlebt und mitgestaltet. Aber ihr Handeln und Denken sind dort nicht stehengeblieben.

Ich meine jetzt vor allem die Journalistin und Kunstkritikerin Anneliese Knorr. Im Laufe der Zeit habe ich viele Texte von ihr gelesen, und wenn man viel gelesen hat von jemandem, erkennt man das wiederkehrende Begriffsrepertoire, alle sprachlichen Attitüden und Ordnungsschemata, kurz: den Stil. Den hat sicher auch eine Kunstkritikerin. Was mich aber immer wieder auf's Neue verblüfft, sind ihre Akribie und ihre Neugier, auf Kunstgegenstände im Besonderen einzugehen. Bei ihrem Wissensdrang versteht sie es, die Dinge auf den kritischen Punkt zu bringen. Sie liefert Argumente, Beifall, fragenden Zweifel, Widerspruch.

Vor vierzig Jahren flammte Anneliese Knorrs Liebe zur Kunst auf. Vor vierzig Jahren ließ sich Anneliese Knorr aber auch auf eine weitere Ehe ein, die mit der Stadtverwaltung Gelsenkirchen: als Texterin, als Redakteurin der "Gelsenkirchener Blätter", als Ausstellungsmacherin: Kultur für die Kommune. Wenn der klassischen philosophischen Auffassung zufolge der Gegenpol von Kultur die Natur ist, so hat Anneliese Knorr in den vergangenen vierzig Jahren einen weiteren Gegenpol der Kultur kennengelernt: den städtischen Dirigismus.

Vierzig Jahre Kulturarbeit bedeuteten für sie auch vierzig Jahre Theater mit Verwaltungs- und Parteistatisten. Henning Dickel beklagt 1988 in den "Ruhr-Nachrichten", dass es "eine Gelsenkirchener Spezialität zu sein scheint, Kultur privaten Initiativen zu überlassen". Folglich bezeichnet er die Bildungsarbeit von Anneliese Knorr denn auch als "preiswertes Vergnügen für die Stadt". Anneliese Knorr hat sich für die Kunst, für Künstler engagiert, nicht aber für sich. Das Motiv ihrer unermüdlichen Arbeit liegt in der Kunst begründet, was sonst. Lapidar sagt sie selber dazu: "Wenn man selber die Befriedigung nicht hat, von außen kann das nicht kommen."

Vierzig Jahre Kultur Gelsenkirchen: ohne den Namen Anneliese Knorr undenkbar -

Anneliese Knorr, die Kunstkritikerin
Anneliese Knorr, die Mäzenin
Anneliese Knorr, die Ausstellungsmacherin
Anneliese Knorr, die Wegbereiterin
Anneliese Knorr, die mehr als ihre Dienststunden macht: Ausstellungen von regionalem, überregionalem, historischem Stellenwert.
Anneliese Knorr, die auf den ersten Blick gemütlich Wirkende, auf den zweiten aber kraftvoll Scharfsinne, für die Antriebsschwäche ein Fremdwort ist.

Bei allem Engagement hat sich die engagierte Frau nie in den Vordergrund gedrängt, dazu hatte sie eben auch keine Zeit.

Anneliese Knorr, ich kann dir vor versammelter Mannschaft versichern: Wirklich alles wird an dir hängenbleiben: auch Ruhm und Ehre."


Auszüge der Rede von Dr. Peter Faßbender an Dr. Reinhold Lange

"Was möchten Sie über ihn wissen? Die Rede ist von Dr. Reinhold Lange, dem Leiter dieses Hauses bis heute. Möchten Sie etwas über seine Rolle als Museumsdirektor erfahren? Seine täglichen Verwaltungsaufgaben? Über das soziale und kulturpolitische Beziehungsgeflecht, in das er eingebunden ist? Über sein küstlerisches Credo? Über Ausstellungsstrategien? Über Ankaufskriterien? Über seinen finanziellen Spielraum? Über seine Öffentlichkeitsarbeit? Alles interessante Fragen.

Für mich aber nicht so interessant wie die Frage, was für ein Mensch steckt dahinter? Was ich darstellen möchte, sind einige Stationen seines Lebens und einige ganz persönliche Eindrücke, die sich bei mir festgesetzt haben.

Dr. Reinhold Lange - 1930 ins westfälische Iserlohn hineingeboren, in eine Zeit beginnender politischer Depression. Wechselnde Wohnsitze: Iserlohn, Bochum, die Kriegsjahre, wieder Iserlohn bis 1950 - dann Hagen. Abitur, Studium: Künstlerisches Lehramt in Bonn und Kassel - Examina. Aber fluchtartige Abkehr von der Pädagogik, Studium der Frühgeschichte, Archäologie und Byzantinistik in Tübingen. Promotion im Fach Kunstgeschichte über ein bis dahin unbearbeitetes künstlerisches Phänomen: die "Byzantinische Relief-Ikone", seither ist er in Fachkreisen als "Relief-Ikonen-Lange" ein Begriff.

Er geht für neun Jahre an die Wiege klassisch-europäischer Kultur: nach Athen.

1971 folgt eine neue Herausforderung: Berufung zum Leiter der Natur- und kulturgeschichtlichen Sammlung sowie der Kunstsammlung der Stadt Gelsenkirchen. Vieles muss gesichtet, geordnet und aufgearbeitet werden: eine bedeutende Antikensammlung, wertvolle Fayancen des 18. und 19. Jahrhunderts, Natur- und Kulturgeschichtliches, Kunstwerke des 19. und 20. Jahrhunderts, vor allem der 60-er Jahre, vor allem kinetische Kunst. Die Archive platzen aus den Nähten, neuer Präsentationsraum muss her.

1982 Grundsteinlegung des neuen Museums, Fertigstellung des ersten Bauabschnittes 1984: Wittichs gelungene Synthese aus historischer Villa, neuem Haus und baumbestandenem Park. Das ist der "Status quo". Manche sgen, der Raum ist zu knapp. Recht haben sie, aber der zweite Bauabschnitt wartet ja auf seine Realisierung. Aber: das scheint jeder Logik zu widersprechen: wer baut schon bei Ebbe, sagen die Eingeweihten. Hoffen wir also auf eine baldige Flut!

Zurück zum Thema: Wir kennen uns schon einige Jahre: Dr. Lange und ich. Wir kamen und kommen vor allem bei Ausstellungen ins Gespräch, manchmal länger, manchmal nur beiläufig. So erfahre ich - ebenso beiläufig - von der künstlerischen Arbeit Dr. Langes, von Ausstellungen in und außerhalb Gelsenkirchens. 1974 stellte er zum Beispiel einen Werkkomplex von zwanzig Bildern bei Glasmeier aus. Auf seine künstlerische Arbeit angesprochen, winkt er aber ab: alles nur Spaß, ohne größere Ambitionen! Ist das Koketterie? Ich denke eher: Bescheidenheit. Wie überhaupt dieser Mann keine große Geste mag, keine lauten Töne. Er würde wohl eher zur Triangel greifen als zur dicken Trumm. Auch würde ich ihn nicht als Sockelfigur, als Figur des Vordergrundes bezeichnen. Seine Sache ist, wenn ich das sagen darf, das Agieren aus der zweiten Reihe, dann aber gepaart mit scharfer Beobachtung, beharrlich, immer unaufdringlich, ein Schuss Introversion. Nicht das Podium ist seine Stärke, sondern das Gespräch in kleiner Runde, die persönliche Begegnung: hier aber mit hohem Sachverstand und klarem Urteil, eingebettet in eine humorvoll-witzige Grundhaltung; jederzeit aber diszipliniert, abwartend, hellwach. Manchmal, wenn ich genau hinschaue, blitzt etwas von einer anderen Natur auf und lässt sein westfäliches Erbe für einen Moment vergessen. Dann drängt der Faun an die Oberfläche, auch der Epikur oder ein wenig Dionysos. Neun Jahre Griechenland lassen sich eben nicht so einfach verdrängen. Ich würde sogar behaupten, dass sie eine Erklärungshilfe für seine optimistische Sicht auf die Menschen und die Welt darstellen.

Frage: Verlassen Sie dieses Haus mit Bedauern? Seine Antwort: Nein, ein Wechsel ist nach so langer Zeit notwendig. Im Rahmen der Gegebenheiten müssen neue Akzente gesetzt werden.

Frage: Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger? Seine Anwort: Viel Glück!

Das wünsche ich Ihnen im Namen der Künstler, die sich Ihnen verbunden fühlen, ebenfalls. Was ich Ihnen aber nicht wünsche, ist Ruhestand, sondern das Gegenteil. Vergraben Sie sich nicht zu sehr ins Emsland und vergessen Sie Ihre Stadt Gelsenkirchen nicht, ihre sympathischen Menschen, unter ihnen vor allem die Künstler."


Presseschau

Henning Dickel,
Ruhr-Nachrichten

Bernd Aulich,
Buersche Zeitung

Hans-Jörg Loskill,
Westdeutsche Allgemeine
Zeitung

Jörg Biesler,
Ruhr-Nachrichten

"Der Zufall hat es gebracht, dass in diesen Tagen im Museum gleich doppelt Abschied genommen wird. Hausherr Dr. Reinhold Lange, dann 63, zieht sich Ende Juli in den Ruhestand zurück, und Anneliese Knorr, die couragierte Förderin der lokalen Kunstszene in den letzten 30 Jahren, steht vor der Vollendung des 75. Lebensjahres.
Museum und Kunstverein haben dieserhalb eine Ausstellung arrangiert, die gleichermaßen Würdigung und Wunscherfüllung darstellt. Jeder Laureat nannte 14 Künstlernamen, dazu einigten sich beide auf neun gemeinsame Vorschläge. Und so umfasst die Schau, die zu den niveauvollsten des Hauses gezählt werden muss, 80 Exponate, darunter nur zwei, die der städtischen Kunstsammlung entnommen sind. Viel Unbekanntes also, teils aus Privatbesitz, aber auch den verschiedenen Nachlässen entlehnt.

Die Auswahl, soweit sie vom Museumsleiter verantwortet wurde, markiert Ausstellungshöhepunke der 22 Jahre währenden Ära Lange, verbunden etwa mit den Namen Hannah Höch (seinerzeit eine exzellente Exposition, die erstaunlicherweise überregional kaum Beachtung fand), Hubert Berke, Leo Breuer, Yvonne Goulbier, Karl Heidelbach (ihn hat Lange dreimal ausgestellt), Heinz-Albert Heindrichs, Horst Lerche oder Nino Malfatti.
Darüber hinaus ist die Schau ganz entschieden geprägt von Künstlerinnen und Künstlern, die in besonderer Weise von Anneliese Knorr, sei es in der Kommunalen Galerie, sei es durch den von ihr vertretenen Kunstverein, protegiert worden sind. Regina Albrecht, Helmut Bettenhausen, Rüdiger Goeritz, Rainer Kleinschmidt, Mario Reis (der sich inzwischen internationaler Anerkennung erfreut, Ursula Simon und der zum WDR-Cartoonisten aufgestiegene Bernard P. Woschek gehören - auch dies ist natürlich keine vollständige Aufzählung - dazu. Macht die Schau schon so viel Eindruck, werden ihr von einigen der meinsam genannten Künstler noch ein paar Glanzlichter aufgesetzt, so von Ulrich Erben, Friedrich Gräsel, Udo Scheel, Anton Stankowski, der auch den Entwurf für die Einladungskarte gestaltet hat, und Günther Uecker. Ihre Arbeiten sind im Neubau zu sehen, die anderen Exponate befinden sich in der Villa, wobei das Parterre Anneliese Knorr gehört und der erste Stock Reinhold Lange.

Die Ausstellung, die den Titel "Ereignisse - Begegnungen mit Bildern und Menschen" trägt, ist eine sehr persönliche Bilanz, was einen zusätzlichen Reiz ausmacht. Sie fordert nicht zu nostalgischer Verklärung auf. Viele Künstlerinnen und Künstler zeigen Arbeiten der aktuellen Produktion. Und das ist gut so. Schließlich ist das Machen von Kunst ebenso ein fortwährender Prozess wie das Präsentieren derselben."

"Nicht weniger als 300 Ausstellungen hat Anneliese Knorr, die im Juli 75 jahre alt wird, seit 1961 in Gelsenkirchen arrangiert - erst im Pianohaus Kohl, später als Stadtgaleristin im Hans-Sachs-Haus und als findige Talente-Entdeckerin für den Kunstverein Gelsenkirchen. Zusammen mit der Stadt widmet der Kunstverein ihr und dem Ende Juli in den Ruhestand tretenden Museumsdirektor Dr. Reinhold Lange im Museum eine Schau der Superlative. Sie erinnert - der Name sagt es - an vergangene Kunst-"Ereignisse". Zur Eröffnung am Sonntag um 11.30 Uhr hat sich als Schirmherr Kultursminister Schwier angesagt.

Die Ausstellung versammelt Erstklassiges. Je 14 Künstler haben die beiden Ausstellungsmatadore ausgewählt. Im Erdgeschoss der alten Museumsvilla finden sich Künstler, für die sich Anneliee Knorr mit Vehemenz eingesetzt hat: Gelsenkirchener wie Günter Tollmann, Bernard P. Woschek, Rainer Kleinschmidt, Mario Reis, Rüdiger Goeritz, Regina Albrecht, Uwe Gelesch, Friedhelm Lork, Roswitha Petry-Hammann oder Ursula Simon und mit Gelsenkirchen verbundene Künstler wie Helmut Bettenhausen oder Gérard Walther.
Im ersten Stock und im Dach-geschoss trifft man auf Namen, die wichtige Ausstellungsstationen während Langes 22-jähriger Museumstätigkeit markieren: die Berliner Dadaistin Hannah Höch, an die er just zu ihrem Tode mit einer von der überregionalen Kritik ignorierten Retrospektive erinnerte, der bedeutende Konstruktivist Leo Breuer, der Objektkünstler Tom Mosley, Yvonne Goulbier, die hier vor Jahren eine faszinierende Schwarzlicht-Installation zeigte, die namhaften Maler Hubert Berke, Horst Lerche, Nino Malfatti und Karl Heidelbach, der Bildhauer Utz Brocksieper, Marianne Pohl, die mit einer Fußbodenzeichnung das ganze Dachgeschoss in Besitz genommen hat, und die Gelsenkirchener Siegfried Danguillier, Peter Faßbender, Heinz-Albert Heindrichs und Many Szejstecki.

Neun Künstler, denen beide Mittler verbunden sind, füllen den Clubraum des Neubaues: der Kinetiker Adolf Luther, der gebürtige Gelsenkirchener Anton Stankowski, der auch das Ausstellungsplakat gestaltete, die Professoren Günter Uecker, Udo Scheel, Ulrich Erben, Jochen Zellmann und Friedrich Gräsel, der Bildhauer Norbert Thomas und der Halfmannshöfer Jiri Hilmar.

Die meisten Exponate sind jüngeren Datums. In Nostalgie mochten Anneliese Knorr und Reinhold Lange nicht schwelgen. Viele der überwiegend aus Privabesitz stammenden Arbeiten sind noch nie ausgestellt worden.

Auch Kurioses hat seinen Platz. So stellt sich Bernard P. Woschek, als Grafiker ein Meister der kleinen Form, mit einer ausladend großen, wandfüllenden zeitkritischen Installation vor, und den gebürtigen Bueraner Hubert Berke präsentiert der Museumschef nicht ohne Witz mit einem sehr frühen und einem sehr späten Bild, die man von Berke kaum erwartet hätte."

"Die fliegenden Formen von Anton Stankowski, das erotische Flair in den Maltableaus von Udo Scheel, die raffinierten Spiegelungen bei Adolf Luthers Objekten, Ulrich Erbens meditative Farbtafeln, Karl Heidelbachs melancholischer Realismus, Günter Tollmanns "Königliche Köpfe" - Arbeiten von Künstlern, die eine wesentliche Rolle für zwei Persönlichkeiten spielten, die die Kunst in Gelsenkirchen seit 20 Jahren prägen: Anneliese Knorr und Dr. Reinhold Lange.

Für sie gemeinsam entwickelte der Kunstverein eine Dankeschön-Schau. Anneliese Knorr, Ex-Vorsitzende und mütterliche Figur im Künstlerbetrieb, wie man sie selten antrifft, wird 75 Jahre alt. Lange, seit 1971 Museumsleiter, verabschiedet sich 63-jährig in den Ruhestand.

Zwei Lebensbilanzen, ausgedrückt durch künstlerische Freunde und deren Schaffen: in 80 Arbeiten, darunter nur zwei aus dem städtischen Eigenbesitz, dokumentieren sich Tendenzen der Kunst nach 1945. Das von Leane Schäfer eingebrachte Konzept lässt Raum für Vorlieben. Anneliese Knorr "zitiert" Regaina Albrecht (neue, "scheue" Fotos) und Helmut Bettenhausen (eine robuste Schwarz-Wand-Gestaltung), Rüdiger Goeritz (feinsinnige Fundstücke neu komponiert) u.a. Lange wählte Hubertus Berkes lyrische Abstraktion, Leo Breuers konkrete Reliefs, Marianne Pohls Raumstruktur und Nino Malfattis Stein-Impressionen u.a. aus.

Je 14 Künstler/innen stehen für die jeweiligen Einzelproträts. Weitere neun wurden gemeinsam, als Höhepunkte der rund 20 Aussstellungsjahrgänge, ausgesucht. 37 zeitgenössische Kunstpositionen als Credo."

"Viel Lob von allen Seiten. Da soll noch jemand sagen, in Gelsenkirchen gebe es keine gesellschaftlichen Ereignisse. Sonntag vormittag wurde im Museum endgültig das Gegenteil bewiesen. Zur Eröffnung der gemeinsamen Ausstellung von Anneliese Knorr (sie wird im Juli 75 Jahre alt) und Dr. Reinhold Lange (er scheidet als Museumsdirektor aus) trat fast die gesamte Prominenz aus Politik und Kultur an. Doch damit nicht genug. Um dem Ereginis auch überregionalen Glanz zu verleihen, wurde Kultursminister Hans Schwier die Schirmherrschaft angetragen, und dieser erschien sogar zur Eröffnung.

Und wirklich lohnt die Schau, gemeinsam organisiert von Kunstverein und Stadt, den Aufwand. 37 Künstler haben die beiden Laureaten benannt, die ihnen in ihrer langjährigen Tätigkeit im Kunstsektor besonders viel bedeuteten.

Oberstadtdirektor Dr. Klaus Bussfeld war voll des Lobes für die beiden prominenten Akteure der Gelsenkirchener Kunstszene. Mit dem kleinen Ankaufsetat sei es Lange gelungen, Löcher in der Kunstsammlung zu füllen. Vor allem die Sammlung kinetischer Kunst habe er mit Sachverstand vervollständigt.

Anneliese Knorrs Verdienst, so stellte der Vorsitzende Des Kunstvereins, Ulrich Daduna, fest, sei es, dass die bildende Kunst einen erheblichen Anteil am öffentlichen Leben habe. Er dankte Lange für die unproblematische Zusammenarbeit zwischen Kunstverein und Museum.

Bernard P. Woschek, der für die Künstler sprach, ließ sich auch von der versöhnlichen Atmosphäre solcher Ereignisse nicht davon abhalten, einige kritischen Anmerkungen zur Kulturpolitik der Stadt zu machen. Anneliese Knorrs Engagement für die Kunst und deren Vermittlung sei in Rat und Verwaltung nicht immer auf begeisterte Förderung gestoßen. Die Begeisterung und Dankbarkeit, die aus Woscheks Worten sprachen, ließen am Beispiel eines Künstlers ahnen, was Anneliese Knorr für die Förderung junger Talente getan hat.

Peter Faßbender sprach Reinhold Lange hohen Sachverstand und klares Urteil zu. Lange liebe nicht das öffentlichkeitswirksame Auftreten, sondern agiere mit Bedacht aus der zweiten Reihe."